13. Eine unheilvolle Entdeckung

KI-generiertes fotorealistisches Bild. Ein schwarzer Kater sitzt auf einem Küchentisch. Im Hintergrund eine blaue Einbauküche mit Holzarbeitsplatten und Herd. Vor ihm steht eine große blaue Tasse, in der Pfote hält er einen Löffel.
Meine Wenigkeit, miau.

Miau und hallo, meine zauberhaften Leser*innen,

 

ich weiß, viele von euch warten ungeduldig auf ein Update, wie es eigentlich nach 11. Snowflake in Not mit den Unheilvollen weitergegangen ist (siehe auch: Geschichten 7 bis 9, 10, Wissenswertes aus der Magischen Welt; für Namen => Who Is Who).

 

Nun, tatsächlich hörten wir magischen Tiere aus dem Zauberwald sehr lange nichts von ihnen bzw. über sie. Auch Konrad, das knurrende Killerkaninchen, unser Superspion, tappte im Dunkeln. Wir wussten weder, ob Nero und seine Bande überlebt hatten, noch wo sich Minna mit ihren Mittieren aufhielt. Genau genommen wissen wir das immer noch nicht. Mau. Aber vor ein paar Wochen (kurz nach dem Hasenfest 2024) machte ich eine unheilvolle Entdeckung. (Also eigentlich heißt das bei euch ja Ostern und auf der Magischen Welt Frühlingsfest, aber Anna & Co nennen es Hasenfest. Sie haben für viele Feiertage eigene Namen; den 24.12. haben sie zum Beispiel in den Internationalen Tag des Schlafanzuges umbenannt.)

 

Jedenfalls war Annas Erschöpfung an dem Punkt angelangt, wo sie bei jedem Handgriff anfing zu weinen, so fertig war sie. Daher hatte ich ihr eine Woche Bettruhe verordnet und versprochen, mich um alles Wichtige zu kümmern. Unter anderem war ein Abstecher in das für Anna zuständige Amt fällig. Wieder mal.

 

Annas neuer Sachbearbeiter (Uwe) ist permanent krank und somit ließ die Korrektur eines falschen Bescheides schon wieder wochenlang auf sich warten, was Anna & Co zusätzlich zu allem anderen belastete. Ein klarer Fall für meine Magische Feder (=> 7. Ämterchaos). Statt jedoch wieder nachts dort einzusteigen, hatte ich mich entschieden, dieses Mal an einem Sonntagmorgen loszuziehen. So sehr ich es auch mag, nachts herumzustreunern, ich konnte ein paar Sonnenstrahlen gut gebrauchen.

 

„Kaffee steht in der Küche. Ich geh jetzt los“, informierte ich Anna, die mich müde aus ihren Kissen anschaute, daher so gegen halb acht. (Ich war in Haushaltsdingen zwar deutlich geschickter geworden in all den Jahren bei Anna (=> 4. Anna und ich), aber eine Tasse Kaffee durch den Flur und ins Zimmer schweben zu lassen, führt in der Regel immer noch dazu, dass ich den Boden wischen muss.)

 

„Danke. Kannst du die Briefe noch einwerfen? Und kurz zu Holly rüber? Hab letzte Woche schon wieder vergessen, die Verordnung mitzunehmen. Sie ist heute ausnahmsweise ab neun in der Praxis, hat sie gesagt. Hat um zehn einen Yoga-Kurs, der den ganzen Tag geht.“

 

Holly ist Annas Physiotherapeutin, die ich genau wie Anna sehr schätze und mag. Ich kenne sie gut, weil ich anfangs, als Anna neu bei ihr war, regelmäßig mitgegangen war. Sie ist einer der wenigen Menschen in Annas Umfeld, die weiß, dass ich ein magischer Kater bin.

 

„Kein Problem“, antwortete ich, zeitlich sollte das gut passen, und ich freute mich sehr auf eine Stippvisite bei Holly. Sie ist immer sehr großzügig mit Leckerlies, wenn sie mich sieht.

 

Ich schnappte mir also die Briefe und die Physioverordnung, stopfte sie in meinen Lederbeutel und zog los. Die Straßen waren noch angenehm leer, das Wetter akzeptabel und so tapste ich zunächst einmal Richtung Briefkasten. Ich hatte die Ecke, an der er steht, noch nicht ganz erreicht, als mich urplötzlich ein hellbrauner Wirbelwind ansprang, zu Boden warf und mir vor Begeisterung quietschend das Gesicht abschleckte. 

 

 

Foto eines braunen Hundes, der sehr niedlich in die Kamera guckt und die Zunge ein Stückchen draußen hat.
Joy. Privates Foto.

Joy!

 

Ich denke, ihr erinnert euch noch an die junge Hündin (=> Ein chaotischer Sommertag), die letzten Sommer für mächtig Aufruhr in einem Zug gesorgt hatte, oder?

 

Nun, Joy hat sich als so begabt herausgestellt, dass der Vorstand ihr die Erlaubnis erteilt hat, ihre Ausbildung weit früher als üblich zu beginnen. Maxi hat das sogar persönlich übernommen, da Joys Eltern noch immer viel unterwegs sind. Inzwischen springt die magische Renn- und Spring-Labbi-Hündin zielsicher wie eine Erwachsene durch die Dimensionen und darf all ihre Ferien (und davon haben junge magische Tiere eine Menge; vermutlich auch ein Grund, warum unsere Ausbildung 50 Jahre dauert => 6. Die Bewährungsprobe) bei Tasso verbringen. Der hatte sich nach dem Sommerabenteuer kurzerhand selbst zu ihrem Patenonkel erklärt.

 

In diesen Ferien hatten wir uns noch nicht gesehen, was wohl die übertrieben stürmische und sehr nasse Begrüßung erklärte.

 

„Hi, Joy“, stöhnte ich, „hab dich auch lieb. Aber …“ Ich krabbelte unter der jungen Hündin hervor und begrüßte Tasso:

„Schön euch zu sehen, an der Begrüßungsnummer müsst ihr allerdings echt noch arbeiten. Joy ist ganz schön schwer. Was macht ihr hier so früh?“

 

„In der Tat, sie muss noch lernen, dass sie nicht jedes Lebewesen, das sie mag, zu Boden werfen darf“, er seufzte und fuhr fort: „Joy braucht viel Bewegung. Deswegen unternehmen wir schon früh am Tag lange Spaziergänge, damit sie sich nach der Nacht ein bisschen auspowern kann. Und was treibst du hier?“

Ich setzte Tasso und Joy kurz darüber in Kenntnis, was ich alles erledigen wollte.

„Ich will mit“, jaulte Joy und setzte nach einem strengen Blick von ihrem Patenonkel hinzu: „Dürfen wir? Bitte?“

„Klar“, stimmte ich zu. Ein bisschen Gesellschaft konnte nicht schaden. „Zuerst zum Briefkasten.“

 

 

KI-generiertes fotorealistisches Bild. Ein schwarzer Kater sitzt auf einem Schäferhund. Beide stehen vor einem runden gelben Briefkasten an einer Straßenecke.
So oder so ähnlich haben wir wohl ausgesehen.

Dort angekommen, wandte ich mich an Tasso: „Ich kletter auf dich rauf, ja? Die Briefe mit Magie in die Klappe vom Briefkasten zu befördern, erregt immer zu viel Aufmerksamkeit. Sind ja doch schon ein paar Leute unterwegs.“ Ich deutete auf ein Pärchen auf der anderen Straßenseite.

 

Tasso brummte, ließ mich aber auf seinen Rücken klettern, sodass ich die Briefe bequem einwerfen konnte. Natürlich wäre es noch einfacher gewesen, wenn er die Briefe eingeworfen hätte. Fiel mir aber erst hinterher ein.

 

Weniger Aufmerksamkeit hatte uns das auch nicht eingebracht. Eher im Gegenteil. Das Pärchen auf der anderen Straßenseite starrte nicht nur fasziniert zu uns rüber, sondern hatte, wie Joy mich informierte, Fotos von der Aktion geschossen. Vielleicht wäre zaubern doch unauffälliger gewesen. Egal.

„So, jetzt zum Amt“, erklärte ich.

„Anna hat immer noch keine Löffel?“, fragte Tasso mich, während wir die Straße entlangtapsten.

„Nein, im Gegenteil. Die letzten Monate und die vielen triggernden Feiertage haben sie arg mitgenommen.“

 

Joy hing anscheinend noch bei Tassos Frage und hatte meine Antwort nicht gehört, denn sie heulte plötzlich entsetzt auf, während sie um Tasso und mich herumhopste:

„Anna hat keine Löffel? Aber dann kann sie ja manche Sachen gar nicht essen. Und essen ist so wichtig! Essen ist toll. Hat sie denn wenigstens noch Gabeln? Wir müssen dringend Besteck herzaubern. Oder besser kaufen. Ich würde gern mal einkaufen gehen.“

Sie blieb abrupt stehen und sah Tasso und mich an: „Sagt, wo bekommen wir hier Löffel her?“

 

„Merlin meint keine echten Löffel. Komm, weiter. Ich erkläre es dir auf dem Weg.“

 

 

KI-generiertes fotorealistisches Bild eines Schäferhundes, von vorn. Er liegt, hat die Vorderpfoten nach vorne gestreckt und guckt mit erhobenen Kopf und raushängender Zunge in die Kamera.
Dieses Mal gibt Tasso den Erklärkater.

Und so erläuterte Tasso Joy die Löffeltheorie (Wer es genauer wissen will: => https://berlin-brandenburg.vdk.de/aktuelles/aktuelle-meldung/was-ist-die-spoon-theory )

 

Erstaunlicherweise tat er das zumindest für seine Verhältnisse relativ kurz und knapp und auf eine Art, die für Joy, die ihm gebannt zuhörte, gut verständlich war. (Warum bekomme ich immer so endlose, monotone Monologe von ihm? Mau). Trotzdem habe ich seine Ausführungen für die Geschichte ein wenig kürzen müssen:

 

„Menschen, die chronisch krank oder behindert sind, egal ob körperlich oder psychisch, haben anders als Gesunde nur eine sehr begrenzte Menge an Energie pro Tag zur Verfügung. Das gilt auch für Menschen wie Anna, die Traumafolgestörungen haben und Viele sind. Also eine DIS oder pDis haben. Die Löffel stehen für diese Energie. Deswegen können wir die nicht einfach kaufen. Anna braucht für viele ganz normale Sachen schon ganz viele Löffel. Haushalt, Erledigungen, duschen, kochen, essen. Damit fehlen ihr Löffel, also Energie, für andere Dinge. Sie muss sich dann z.B. entscheiden, ob sie noch telefoniert oder etwas an die frische Luft geht, weil für beides die Löffel nicht mehr reichen. Ganz oft geht beides nicht mehr. Und wenn sie eine Zeitlang über ihre Grenzen gegangen ist oder vielen Triggern ausgesetzt war, also viel mehr Löffel verbraucht hat, als sie eigentlich hat, dann geht gar nichts mehr. Die Schmerzen werden schlimmer, genau wie die chronische Müdigkeit. Und deswegen hilft ihr Merlin jetzt mehr als sonst. Damit sie sich endlich etwas ausruhen kann.“

 

Und auch innen sind alle ganz durcheinander, völlig erschöpft, überreizt und noch schneller zu triggern als sonst und müssen dringend zur Ruhe kommen, ergänzte ich in Gedanken.

„Oh“, Joy schwieg einen Moment. „Ich glaube, ich habe unendlich viele Löffel. Ich wünschte, ich könnte Anna welche abgeben.“

 

Die junge Hündin schaute Tasso traurig an. Dann schüttelte sie sich ausgiebig, machte ein paar wilde Sprünge in die Luft und wuffte zweimal laut. Ich wünschte, für Anna & Co wäre es so einfach, Belastendes im wahrsten Sinne des Wortes abzuschütteln.

Schließlich wandte Joy sich wieder an ihren Patenonkel: „Du, ich hab noch ne Frage: Was ist ein Amt?“

„Das da“, antwortete Tasso und zeigte mit der Schnauze auf das Gebäude, vor dem wir inzwischen angekommen waren. „Ich erkläre es dir, während Merlin dort erledigt, was er erledigen muss. Auch wenn ich wegen der alten Zeiten gern mit reingehen würde (=> Geschichten 7 bis 9).“

Letzteres ging in meine Richtung.

„Fänd ich auch schön, aber es geht schneller, wenn ihr hier wartet.“

 

 

KI-generiertes fotorealistisches Bild. Ein schwarzer Kater sitzt vor beschriebenem Papier und hält in seiner rechten Vorderpfote eine Feder, die rot glüht. Im Hintergrund ist Rauch zu sehen.
Meine Wenigkeit mit der Magischen Feder, miau.

Ich nickte den beiden zu, brach auf meinem üblichen Weg in das Amt ein und stand ein paar Minuten später in Uwes Büro.

 

Dort klappte mir erst mal die Kinnlade runter. Sein Büro ist das unordentlichste, was mir je untergekommen ist. Und glaubt mir, ich habe schon viel gesehen. Der Aktenberg auf dem Schreibtisch hatte das Ausmaß des Mount Everest angenommen, die Stapel daneben erinnerten an die Alpen.

 

Nach einigen Minuten hatte ich Annas Akte in diesem Chaos aufgestöbert und stieß auf etwas sehr Merkwürdiges: Die Bescheide, auch der letzte, falsche, um den es mir ging, waren alle neu ausgedruckt worden, auf sich sehr seltsam anfühlendem Papier. Ich checkte schnell ein paar andere Akten – genau dasselbe. Auch im Drucker lag das merkwürdig glatte, dicke Papier. Mich beschlich eine Ahnung und so schnappte ich mir einen Stift und kritzelte etwas auf einen der Bögen. Dann versuchte ich, es mittels der Magischen Feder zu verändern.

 

Miau, Leute, das war knapp, sage ich euch. Noch während ich meine Feder in der Pfote hielt und versuchte, damit zu schreiben, wurde sie sehr warm, um nicht zu sagen, glühend heiß. Ich schaffte es gerade noch, sie loszulassen und vom Schreibtisch zu hopsen, bevor sie explodierte.

 

Ja, genau. Dreimal verflixter Feenstaub. Fassungslos und etwas derangiert durch die Explosion beseitigte ich das Chaos und brach dann in weitere Büros ein. Überall dasselbe neue Papier. Schließlich stand ich vor der Tür des Büros der Amtsleitung. Das durchsuchte ich sehr gründlich, denn mittlerweile schwante mir Böses. Und tatsächlich, in einer doppelt und dreifach gesicherten Schublade (allerdings nicht magisch, daher für mich kein Problem) fand ich den Beweis für meine Vermutung: ein Notizbüchlein mit codierten Einträgen. Ein simpler Code, eher was für Anfänger*innen, das konnte ich ohne unseren Chefspion Konrad, das knurrende Killerkaninchen, entschlüsseln. Miauuuu, zum grünen Troll. Ich musste dringend an die Luft und erst mal durchatmen.

 

Wieso? Ach, so, ja. Wenn ich die etwas kryptischen Notizen der Amtsleitung richtig decodiert und verstanden hatte, war eine der letzten Amtshandlungen von Rosalie in der Gestalt von Heinz gewesen, die Amtsleitung zu einer Verbündeten der Unheilvollen zu machen – und u.a. dieses Spezialpapier in allen Ämtern der Stadt einzuführen. Vermutlich hatte das in jenem kleinen Schränkchen in Rosalies Büro gelagert, das ich damals nicht aufbekommen hatte, da es mit unheilvoller magischer Energie gesichert gewesen war (siehe auch Ende Geschichte 9).

 

Die Unheilvollen hatten immer mal wieder über die Jahrhunderte Verbündete in eurer Welt gehabt. Das war unter dem Strich nichts Neues – und trotzdem war ich jetzt so wütend und gleichzeitig so besorgt, dass ich kaum klar denken konnte. Dass der ganze Mist mit den Unheilvollen ständig und unmittelbar Annas Leben betraf, regte mich richtig auf. Anna bezeichnet sich selbst ja manchmal als „Montagsauto“. Ja, in ihrem Leben geht schief, was nur schief gehen kann. Aber dass Rosalie damals ausgerechnet in Annas Amt arbeitete und noch dazu die Amtsleitung zu einer Verbündeten gemacht hatte – das war selbst für Anna haarsträubend viel Pech auf einmal. Und dann noch dieses Papier. Leute, ich muss hacken lernen, damit ich zukünftig die Dateien im Computer verändern kann. Bei Technik-Zeugs versagt Magie ja leider. Also wer das von euch kann …

 

So stürmte ich aufgelöst aus dem Amt, vorbei an Tasso und Joy, und suchte mir eine ruhige Ecke, um Spring anzufunken. Mittlerweile waren die Straßen nicht mehr ganz so leer.

 

„Durchatmen, Schatz“, sagte sie, als ich meinen Bericht beendet hatte. „Durchatmen. Ich spreche mit Maxi und Pat. Wir haben in ein paar Minuten sowieso Vorstandssitzung. Dann sehen wir weiter. Unternimm auf keinen Fall etwas im Alleingang. Verstanden?“

„Aber …“, setzte ich an, kam allerdings nicht weiter. Ich war wirklich sehr aufgeregt. Noch immer vibrierten meine Schnurrhaare vor Wut und Fassungslosigkeit und die Gedanken in meinem Kopf überschlugen sich. Zum einen konnte ich Anna jetzt mit diesem verflixten Bescheid nicht helfen, zum anderen – wer weiß, welches Ausmaß die Zusammenarbeit von Unheilvollen Magischen Tieren mit Menschen bereits erreicht hatte, wenn es selbst in diesem popeligen Amt Verbündete von Minnas Bande gab? Was wenn es den Unheilvollen bereits gelungen war, die Regierungsebene zu infiltrieren? Was wenn es auch da dieses Papier gab? Ließen sich Entscheidungen oder gar Gesetze dann noch irgendwie rückgängig machen? Das Papier war voller unheilvoller magischer Energie – und die ließ sich in der Regel nur durch ebensolche brechen – und uns Tieren aus dem Zauberwald ist die Anwendung verboten!

 

„Aber …“, zweiter Versuch, meine sich überschlagenden Gedanken laut zu machen. Und wieder verstummte ich.

„Merlin? Schatz?“, Springs Stimme erklang erneut durch das magische Funkgerät. „Beruhig dich bitte. Kümmer dich um Anna. Das ist das Wichtigste im Moment, so erschöpft wie sie derzeit ist. Überlass das andere mir. Ich muss jetzt los, wenn ich pünktlich bei der Sitzung sein will. Ich melde mich danach. Okay?“

„Ja, okay“, ich atmete tief durch. Spring schnurrte noch ein „Ich liebe dich“ ins Funkgerät und schaltete es aus. Sie hatte Recht; Anna & Co brauchten mich zurzeit noch mehr als sonst – und das hatte Vorrang vor allem anderen.

 

Ich glättete mein vor lauter Aufregung abstehendes Fell und marschierte zu Tasso und Joy zurück. Joy jagte fröhlich einem Schmetterling hinterher, während Tasso mich besorgt anblickte:

„Was ist passiert? Und wieso hast du eine versengte Pfote?“

Oh, letzteres hatte ich gar nicht gemerkt. Meine linke Vorderpfote war in der Tat etwas angebrutzelt durch die explodierende Magische Feder. Zum Glück nicht allzu schlimm. Das würde schnell heilen. Ich musste mir nur eine harmlose Erklärung für Anna einfallen lassen, damit sie sich nicht zu viele Sorgen machte.

„Erzähle ich dir auf dem Weg“, sagte ich zu Tasso, während ich einige Male vorsichtig mit der Zunge über die verletzte Pfote leckte, um meine Selbstheilungskräfte zu aktivieren. „Das hier hat sowieso schon viel zu lange gedauert. Ich muss Holly erwischen, bevor ihr Kurs anfängt.“

 

So trabten wir in flottem Tempo zur Praxis, während ich Tasso von meiner Entdeckung berichtete. Der Gute war ebenfalls fassungslos.

 

Holly sah uns schon, als wir in die Straße einbogen, in der sich die Praxis befindet; sie war gerade dabei, das Fenster zu öffnen und winkte mir fröhlich zu.

 

Tja, und Joy sah Holly, ihr Winken, jaulte begeistert auf und sprintete los. Sie legte die noch etwas über 20 Meter bis zu Hollys Praxis in etwa zwei Sekunden zurück, setzte zu einem Sprung an und landete direkt auf der Fensterbank vor Holly. Die Praxis liegt zwar im Hochparterre, aber holla, die Waldfee, einmal so springen können. Mir blieb vor Bewunderung das Schnäuzchen offenstehen. Tasso war weniger begeistert und rief, eindeutig zu spät:

„Joy, nein!“

Diese begrüßte bereits Holly, versuchte, ihr das Gesicht abzuschlappern (Hunde. Warum können die zur Begrüßung nicht einfach Köpfchen geben wie wir Katzen?) und plapperte in einem Gemisch aus Hunde- und Menschensprache auf eine strahlende Holly ein.

„Hey, du bist ja toll! Wer bist du? Komm erst mal rein, dann kann ich dich richtig durchknuddeln.“ Holly war offenbar hin und weg von Joy. Und so verschwanden die beiden vom Fenster, vor dem Tasso und ich nun endlich angekommen waren.

 

Einige Minuten standen wir wie bestellt und nicht abgeholt rum und hörten, wie Holly mit Joy im Zimmer rumtollte. Sie hatten uns eindeutig vergessen.

„Holly! Würdest du mal die Tür öffnen? Ich würde die Praxis gern auf normalem Weg betreten! Und Tasso auch“, brachte ich Tasso und mich schließlich energisch in Erinnerung.

„Oh, sorry, Merlin“, Hollys Kopf tauchte wieder am Fenster auf. „Sofort.“

Zwei Sekunden später ertönte endlich der Summer an der Haustür, Tasso drückte sie mit seinem Gewicht auf und wir liefen die wenigen Stufen zur Praxis hoch. Oben nahm uns Holly in Empfang, Joy stand neben ihr, fest an ihre Beine geschmiegt.

Liebe auf den ersten Blick, schoss es mir durch den Kopf, als ich die beiden so sah, und zwar beidseitig. Eindeutig.

 

Nachdem mich Holly ausgiebig hinter den Ohren gekrault hatte und ich ihr die Physio-Verordnung gegeben hatte, versorgte sie uns alle erst einmal großzügig mit Leckerlies. Dass die für Katzen waren, interessierte weder Tasso noch Joy. Sie verschlangen ihre Portion in Windeseile, um nicht zu sagen, sie inhalierten sie. Hunde halt.

 

„Was machst du hier?“, Joy sprang erneut an Holly hoch. „Zeigst du mir die ganzen Zimmer?“

„Klar“, Holly startete einen Praxisrundgang und erklärte Joy ihren Job, während Tasso und ich uns es auf einer der Yoga-Matten im Kursraum bequem machten und amüsiert verfolgten, wie Joy zur Abwechslung mal einem anderen Lebewesen Löcher in den Bauch fragte.

„Das heißt, du gibst Menschen ihre Löffel zurück, oder?“, erkundigte sie sich, während sie und Holly in den Raum, in dem wir warteten, zurückkehrten.

Holly sah mich verwirrt an.

„Wir haben ihr vorhin von der Löffel-Theorie erzählt“, erklärte ich.

„Ach so“, Holly lachte. „Ja, manchmal schon. Wenn ich es schaffe, dass die Menschen, die zu mir kommen, durch die Behandlung weniger Schmerzen haben oder sich ein wenig entspannen oder wieder besser bewegen können, ja, dann bekommen sie wohl Löffel zurück.“

Während sie sprach, kraulte sie Joy liebevoll hinter den Ohren.

„Ich will das auch machen. Ich will auch Menschen helfen, wieder Löffel zu haben. Kann ich dir nicht dabei helfen? Hier? Onkel Tasso, was sagst du?“, aufgeregt mit dem Schwanz wedelnd, sah Joy von Holly zu Tasso und zurück.

„Joy, ich denke nicht, …“, setzte Tasso an, aber Holly fiel ihm ins Wort.

„Das ist eine fantastische Idee, Joy. Ich habe einige Klient*innen, denen würde das richtig gut tun, am Ende der Behandlung noch ein paar Minuten Kontakt zu einem so tollen Hund wie dir zu haben! Du dürftest allerdings niemensch anspringen. Bekommst du das hin?“

„Großes Hundeehrenwort“, versprach Joy ernsthaft und sah auf einmal so artig aus, wie ich es noch nie erlebt hatte.

„Joy, du bist noch in der Ausbildung. Du musst in ein paar Tagen in den Zauberwald zurück“, wandte Tasso ein.

„Aber in den Ferien?“, Joy jaulte auf, „Da ginge das doch. Tagsüber bin ich hier bei Holly und abends bei dir. Ich will unbedingt Menschen helfen. Unbedingt. Ich liiiebe Menschen.“ Sie setzte ihren unschuldigen, herzerweichenden Welpen-Blick auf und fiepte leise.

„Meinetwegen. Aber ich muss erst mit Maxi und deinen Eltern reden“, brummte Tasso. Bei dem Blick wird er immer weich.

 

„Deal?“, Joy streckte eine Vorderpfote aus. Tasso schlug ein: „Deal“.

 

 

Foto eines braunen auf vielen Decken schlafenden Hundes.
Joy nach ihrem ersten Arbeitstag, tief und fest schlafend. Privates Foto.

Maxi und Joys Eltern waren sogar ganz begeistert von der Idee und stimmten noch am selben Tag zu. Sie waren genau wie ich der Auffassung, dass dem jungen Wildfang ein wenig mehr Verantwortung und ein Ferienjob guttun würden.

Und wir hatten Recht. Die ersten Tage in Hollys Praxis liefen super. Mit den Jahren würde Joy sicher eine ausgezeichnete Therapie-Hündin werden. Schon schön, wenn eins so früh seine:ihre Bestimmung entdeckt. Miau.

 

Tja, und die Sache mit der Amtsleitung und den Unheilvollen? Ich sag es mal so: Die Entscheidung des Vorstands war für mich mehr als unbefriedigend. Aber das erzähle ich euch in der nächsten Geschichte.

 

Für heute, meine zauberhaften Leser*innen, war es das. Wie immer könnt ihr mir hier oder auf meinen Social Media Accounts einen Kommentar hinterlassen, wenn ihr mögt. Ich freue mich da immer sehr drüber.

 

Wir lesen uns. Bis bald.

 

Es grüßt euch herzlich euer magischer Kater Merlin.

 

Nachtrag: Bei dem Gespräch zwischen Joy, Holly, Tasso und mir musste ich natürlich ständig hin und her übersetzen, da Tasso ja keine andere Sprache als die Hundesprache beherrscht, die wiederum Holly nicht versteht. Das war recht umständlich, wie ihr euch vorstellen könnt. Daher habe ich das in der Geschichte selbst weggelassen. Miau. 

 

 

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Kommentare: 2
  • #1

    @energiepirat (Sonntag, 05 Mai 2024 12:13)

    Lieber Merlin, auch heute habe ich mich sehr über die neue Geschickte gefreut. Leider fällt es mir gerade schwer, zu lesen und das gelesene aufzunehmen, da auch mir im Moment wohl so ziemlich alle Löffel fehlen - und diese hervorragende Beschreibung durch eien Spoon-Theorie mal aufzugreifen. Es ist grad alles zu viel. Das trage ich aber nicht hier rein.

    So ein magischer Kater wäre im Moment sehr hilftreich.

    Herzliches Schnurrren

    Aber zunächst mal Danke für die wahrlich "zauberhafte" Idee, dass ein Kater auf den Rücken eines Hundes klettert um an den Briefkasten zu kommen und Briefe einzuwerfen, womöglich unauffälliger sein würde, als ein Kater, der die Briefe einfach in den Briefkasten reinzaubert. Diese Entwicklung ahnend habe ich schon Tränen gelacht, als ich das Bild der zwei gesehen habe. Es fehlten nur en Esel und ein Hahn. Das hätte dann wahrscheinlich niemanden verwundert,

    Das Spezialpapier, das offenbar Inhalte nachträglich im Sinne seiner Enrfinder verändert, sehe ich wie die vielen Fake-Nwes, die zunehmend verbreitet werden, Verdrehen, Falsch informieren und Lügen scheitn mittlerweile Standard. Hier geht es nur noch um Macht und umfassende Kontrolle. Ich erlbe gerade derartiges bei einigen Gerichtsverfahren und frage mich, wie das sein kann.

    Ob wir das noch durch Hacken zurückdrehen können? Ich habe Zweifel. Aber den Versuch wäre es wert. Leider habe ich zu wenig Ahnung davon, zu wenig Energie und bin zu müde.

    Die Zeichen für eine opassive Kontrolle durch die klandestinen Kreise an den großen Tafeln werden stärker. Diese Leute interessieren sich nicht für den Rest als Individuen, sondern nur als Wirtschaftsfaktoren.

    Danke für Deine Geschichte lieber Merlin

  • #2

    firefly (Dienstag, 14 Mai 2024 16:41)

    Ein bisschen aufatmen mit Merlins Geschichten, wie schön. Auch wenn es vermutlich unheilvoll weiter geht�