Anmerkung 1 (Trigger und Trauma)

Miau und hallo, meine zauberhaften Leser*innen,

willkommen zu einer neuen Episode aus der beliebten Reihe „Merlin, der Erklärkater“:

 

Es ist nämlich an der Zeit, dass wir über die Verwendung des Begriffes Trigger reden, nachdem ich vorgestern Abend wieder einmal kurz um unser aller Tablet bangte. Ich war gerade dabei, ein ausgiebiges Nickerchen zu machen, als Sarah (ein junger, dennoch erwachsener Anteil) mit einem „Ich kann es nicht mehr hören“ das Gerät doch recht heftig auf den Nachttisch pfefferte. Wäre ich nicht blitzeschnell gewesen und hätte es nicht rechtzeitig mit einem magischen Energiestrahl festgehalten, wäre das alte Ding vermutlich von dem glatten Tischchen heruntergerutscht und mit Karacho auf dem Dielenboden gelandet. Gerade noch mal gut gegangen. Ich hatte eine dunkle Ahnung, was Sarah so verärgert hatte. Schließlich kenne ich sie lange genug. Ein Blick auf das Tablet und die zuletzt geöffnete App bestätigte es mir. Da hatte mal wieder jemensch auf ihrem Social Media Account das Wort „triggern“ in einem völlig falschen Kontext benutzt. Seufz. Nicht gut. Auch für meine Geschichten nicht; um diese wirklich zu verstehen, ist es wichtig, die richtige Bedeutung von Trigger zu kennen.

 

Triggern wird ja derzeit leider recht inflationär von einigen Menschen genutzt – als Synonym für „sich oder jemensch ärgern oder konfrontieren“, „sich aufregen“, „wütend/genervt sein“ gebraucht– insbesondere auf Social Media. Auch wenn das englische Wort „Trigger“ auf Deutsch natürlich einfach „Auslöser“ heißt, ist es ein Begriff, der in der Medizin und Psychologie verankert ist (vgl. Wikipedia-Artikel Trigger: https://de.wikipedia.org/wiki/Trigger_(Medizin) ). Zu einem Modewort für alles und nichts ist es erst in den letzten Jahren geworden.

 

Ein Beispiel, um das zu verdeutlichen: Die*der Trainer*in eines bekannten Fußballvereins entschuldigt sich für die wüste Beschimpfung des Schieris mit der Begründung, die Rote Karte für eine*n seiner*n Spieler*innen hätte ‚getriggert‘. Was er*sie in Wahrheit meint: Die Rote Karte hat sie*ihn fürchterlich geärgert, aufgeregt, wütend gemacht.

 

Eine solche Situation hat nichts mit dem tun, was traumatisierte Menschen meinen, wenn sie das Wort benutzen. Hier ist ein Trigger alles, was irgendwie mit den erlittenen Traumata und den Täter:innen verknüpft ist: Worte/Sätze anderer, Gerüche, das Aussehen einer Person, Gegenstände, eigene Gefühle, Geräusche usw. Ein solcher Trigger katapultiert die betroffene Person dann in Sekundenschnelle in traumatische Gefühls- und/oder Körperzustände: (Über-)Anspannung, Todesangst, Panikattacken, Erstarren, Ohnmachtsgefühl, Schmerzen und andere körperlichen Symptome, Dissoziationen, Wechsel zu einer anderen Innenperson bis hin zum (bildlichen) Wiedererleben einer traumatischen Situation, als passiere es gerade jetzt.

Auch hier ein Beispiel: Nehmen wir an, dass es in der Küche der Großmutter einer Person häufig nach gekochtem Holunder roch – und es in dieser Küche regelmäßig zu Gewalt kam, als die Person ein Kind war. Riecht die Person heute irgendwo eingekochten Holunder, kann es sein, dass die Person geflutet wird von den Gefühlen, die sie damals in dieser Küche hatte, als sie die Gewalt erlebte, oder die Szenen in dieser Küche wieder und wieder erlebt.

 

Ich habe das hier in all den Jahren immer und immer wieder erlebt, wie es Anna&Co geht, wenn innen eins getriggert ist – und ich kann euch sagen, das hat nichts mit „Ich habe mich gerade fürchterlich geärgert“ zu tun. Nichts. Miau. Es ist ein für die Betroffenen furchtbarer Zustand, manchmal ist gar nicht klar, was sie dort hinein katapultiert hat – und es ist nicht einfach durch Training zu verändern. Nein, ein Trigger geht nicht dadurch weg, dass sich eins ständig Triggern aussetzt. Da braucht es harte (therapeutische) Arbeit zu – und das ist ein langer Weg. (Hilfreiches dazu findet ihr bei https://www.dis-sos.com/willkommen/ )

 

Da wir schon dabei sind, Begriffe zu klären, mache ich noch einen kurzen Schlenker: Auch das Wort Trauma ist leider zu einem Modewort geworden. Alle und jede*r ist neuerdings traumatisiert, jedes schreckliche Ereignis ein Trauma – manchmal sogar ein abgebrochener Fingernagel. Auch hier, ich werde jetzt mal ein bisschen strenger: einfach nein. Ein Trauma ist immer eine potentiell lebensbedrohliche Situation und kein alltägliches Ärgernis.

 

Wenn ihr dazu noch ein bisschen mehr wissen will, empfehle ich euch die Definition des Begriffes Trauma von Vielfalt e.V.: https://vielfalt-info.de/index.php/viele-sein/trauma-dissoziation . Die mag ich sehr. Und zum Thema Trigger lohnt es sich, den Podcast von „Kinder in das Zentrum“ zu hören: https://kidz-podcast.de/blog/2019/11/18/kidz-034-trigger/ .

 

Also, meine Lieben, langer Text, kurzer Sinn: Ich kann euch nur von Herzen bitten, diese beiden Begriffe im Alltag nicht leichtfertig zu benutzen. Traumatisierte Menschen trifft das nämlich in aller Regel sehr hart. Was sie erlebt haben, geht allzu oft weit über das Vorstellbare hinaus – und der Zustand des Getriggertseins ist meilenweit von Genervtsein oder ähnlichem entfernt – und ihr setzt damit, ob gewollt oder nicht, die Erfahrungen traumatisierter Menschen herab – und gefährdet so damit mein, äh, unser Tablet.

 

So viel für heute. Ich wünsche euch einen zauberhaften Tag - und ihr dürft euch schon mal freuen - auf die nächste spannende Geschichte, die ganz bald hier erscheint. Wie immer freue ich mich auf Kommentare, hier oder auf meinen Social Media Accounts. 

 

Miau, es grüßt euch herzlich euer Merlin. 

Kommentare: 1
  • #1

    @energiepirat (Donnerstag, 30 März 2023 15:03)

    Schön erklärt Merlin, Danke. NUr weil man getriezt wird, muss da noch lange nichs triggern.